Berittführerlehrgang

Bolero
14.-17. April 2011

Mache gerade den Berittführer. Da lerne ich das "Führen einer Gruppe" (von Reitern im Gelände). Komisch, beim Reiten tue ich längst, wogegen ich mich beruflich so wehre.

Minchen habe ich für diesen Lehrgang zu Hause gelassen, ich wollte die Impfdiskussion nicht führen und vielleicht tut es mir auch mal gut, zwischendurch ein anderes Pferd zu reiten. Da hat auch der Tarpan keinen Grund zu kleben, das macht die Sache für uns einfacher.

15. April 2011
7 Uhr aus dem Haus, da haben die Nachbarn wieder etwas zu gucken. Stalldienst. Puh das staubt. Da habe ich mir beim Fegen doch glatt eine Blase gefegt... An der Innenseite vom kleinen Finger, wie geht denn das? Nun aber schnell ans Pferd. 8:30 Uhr auf dem Pferd oder holen? Ach so, fertig sein, oh, da muß ich mich aber sputen. Kenne mich hier garnicht aus. Welche Gamaschen mögen diesem Riesen von Pferd wohl passen? Ich suche ein Paar, das mir groß erscheint heraus, aber es ist natürlich viel zu klein. Der Herr hat gelegen, die Seite ist voller Mist und der Schweif voller Stroh. Er hat auch keine Lust auf Arbeiten, er kommt erstmal garnicht aus der Box, versucht mich zu ignorieren, noch ein paar Heuhalme zu ergattern, wie ein kleines Kind. Aber es hilft nicht, Schule muß sein. Nun ist erstmal eine Runde Putzen angesagt. Unterm Bauch mag er nicht, Beine auch nicht, vielleicht sind meine Bürsten zu hart oder meine Norwegerarme zu grob, ich gebe mir Mühe. Satteln, wie bekomme ich den Sattel auf so einen Riesen? Ich kann ihm noch nicht mal über den Rücken schauen. Dafür muß ich mich garnicht bücken, um nach dem Bauchgurt zu angeln. Die Streichkappen sitzen, der Gurt ist etwas knapp, aber der Herr kann sich gut aufblähen. Die Trense, oh man, wann hatte ich das letzte Mal eine Trense mit Nasenriemen in der Hand? Natürlich nimmt Bolero den Kopof hoch, bei seiner Größe ist das ziemlich effektiv. Aber ich habe das Martingal vergessen, dabei ist es schon halb, alle warten auf mich... Morgen bin ich schneller, versprochen.
Zum Glück steht da eine Leiter, so kann ich das Pferd erklimmen. Ich überrage tatsächlich alle Reiter hier, ich glaube ich sitzte gerade auf dem größten Pferd des Stalls. Aber die Luft ist prima hier oben :-) Danke der Nachfrage.

Nun geht es los, aufwärmen auf dem Springplatz und einzeln über die Rennbahn. Bolero ist brav. Der Herr ist riesig aber ein Gentleman. Ich finde Gefallen an ihm. Ruhig, aber nicht phlegmatisch. Als er warm wird, entwickelt er sogar etwas Raumgriff, der Trab ist gut zu stehen und der Galopp wie in Zeitlupe. Tarpan allerdings hatte heute morgen den Clown zum Frühstück, so teilen wir die Gruppe neu ein, formieren uns zum Galopp. So weit vorne entwickeln mein Pferd sogar Ehrgeiz, es ist ein guter Galopp, vorwärts und flott. Mehrmals müssen wir durchparieren, weil der Wildling hinten lustig wird. Nach einer Pfützendurchquerung und einer Runde Handpferdereiten in der Halle ist der Reitteil für heute beendet. Zwei Stunden in der Höhensonne, das war aufregend.

Nun lernen wir, wie man ein Eisen abnimmt und wieder an den Huf nagelt. Das ist ja garnicht schwer mit dem richtigen Werkzeug. Wir lernen auch allerlei Tricks, wie man ohne Eisen nach Hause kommt, das war richtig gut.

Der Nachmittag ist mit Theorie vollgestopft. Dabei scheint draußen so schön die Sonne.

16. April 2011
Am nächsten Morgen starten wir wieder mit Stalldienst und reiten. Mein Finger ist noch blutig von gestern, aber im Handschuh fällt das kaum auf. Heute bin ich schneller, denke auch gleich an das Martingal, dafür habe ich zwei linke Gamaschen aus der Wühlkiste genagelt, also nochmal schnell zurück und ein Paar geholt.
Gestern, das hat ja so gut geklappt, da bin ich heute ohne Gerte unterwegs, heute geht es hinaus zu einem Ausritt. Am Hundeplatz vorbei, das Rapsfeld leuchtet schon, da testet Bolero mich. Unserer Ausbilderin ist aufgefallen, dass ich auf die Gerte verzichtet habe und schickt mich promt an die Spitze. Der Herr testet mich, uh uh, da ist das "ich will aber nicht vorne gehen Monster" in der Böschung, unter den Bäumen, in den Sanddünen. Unbarmherzig treibe ich ihn vorwärts, ein paar tritte Trab, schon parkt er wieder. Eine nette Kollegin leiht mir ihre Gerte, nun geht es besser. Einzeln von der Gruppe weg, Bolero sieht einen Spaziergänger mit Hund und versucht eigentmächtig zu drehen, das geht aber nicht, ich treibe ihn vorwärts, bis ich denWendepunkt bestimme. Zurück kann der Herr traben. Einreihen, der nächte, das findet Bolero gut. Mühsam unterdrückt er ein Gähnen, spielt mit seinem langen Hals Dehn- und Drehübungen. Morgen habe ich bestimmt eine Gerte dabei.
Der letze Weg ist ziemlich zugewachsen, die Reiter ducken sich auf die Pferdehälse, wo ich durchpassen, passen alle anderen auch durch. 1,75 m, bei dem hohen Widerrist könnten es auch zwei Zentimeter mehr sein. Gentleman.
Auf der Rennbahn üben wir nochmal Galopp in Formation. Auch das klappt heute viel besser. Vom Distanzreiten habe ich ein Gefühl für das Tempo und mache unsere Tetenreiter darauf aufmerksam, wenn sie schneller werden. So kann auch Tarpan mithalten.

Nach der Praxis folgt ein super Vortrag in erster Hilfe, speziell auf Reitunfälle zugeschnitten. Der Herr ist zwar kein Reiter, aber Ersthelfer auf Turnieren und so kann er natürlich gut aus der Praxis erzählen und das macht er sehr lebendig. Die letzte Theorieeinheit beschäftigt uns mit der klassischen Ausbildung von Pferd und Reiter, Ausrüstung, Alternativen, Sitz und Bewegung. Als wir müde zu werden drohen, gibt es eine Einheit Lockerungsübungen, das war eine sehr gute Idee. Morgen ist Prüfung.

17. April 2011
Ich habe an alles gedacht, meine Gerte ist im Gepäck, natürlich habe ich heute zwei rechte Gamaschen erwischt, aber die sind schnell umgetauscht, das Martingal liegt bereit und zur Prüfung spendiert die Reitschule eine frisch gewaschene weiße Satteldecke, schließlich ist es eine Prüfung mit "Prüfungscharakter". Schnell zur Klausur und die Theorie hinter uns gebracht, dann geht es hinauf auf den Riesen und raus ins Gelände. Wir haben gut geübt, die Aufstellung an der Ampel klappt reibungslos. Bolero ist heute gut drauf, er hält im Schritt mit der Gruppe gut mit - oder sind die anderen ruhiger geworden? Mein Part, ich treibe mein Pferd vorwärts. Was, da wacht er auf, vorne, ich? NEIN. Trotz Gerte. Ich zwinge ihn ein paar Schritte vorwärts, Trab, schon parkt er wieder. Eine Mitreiterin erbarmt sich und überholt, promt bleibt auch dieses Pferd stehen, aber nur kurz. Weiter geht es. Nun muß ich natürlich nochmal zeigen, dass ich mein Pferd beherrsche und auch vorne reiten kann. Mehr Gewicht in den Sattel, schwer machen, damit der Herr mich auch ernst nimmt. Das hilft, jetzt geht es vorwärts, im Trab durch die Büsche, wo ich passe... passen die anderen auch. Schwerstarbeit ist das, doch nun werden die Tritte freier. Na bitte, geht doch. Tetenwechsel, Industriegebiet, Wald, Ampel, zurückauf das Gelände der Reitschule. Formationsgalopp, das klappt heute prima. Andere Richtung andere Reihenfolge. Probieren wir es, wir sind ja zu zweit. Zu Zweit vorne ist prima, Bolero greift aus, wir haben ein super Tempo, keiner muß traben, alle halten mit, wir fliegen nur so dahin. Was so 45 cm doch ausmachen, Zeitlupengalopp, das ist wunderschön, das ist toll, ich bekomme garnicht genug. erst als der Ruf von hinten kommt parieren wir durch. Gemütlich, entspannt reiten wir zum Stall zurück. Dieser Galopp verdient ein Sonderlob des Prüfers, wir sind entlassen.

Nun heißt es warten auf das Urteil. Alle haben bestanden. Herzlichen Glückwunsch!

Auf zu Minchen, Boleros Sattel hat seine Spuren hinterlassen, ich glaube, heute mag ich Kutsche fahren. Moni kommt mit und Ulrich auch. Ulrich mag die bestandene Prüfung mit einem Eis begießen, also fahren wir in die Stadt. Kein Problem mit Superminchen. Ich weiss nicht, ob die Ampel auf Kutschen reagiert, also lasse ich das Auto brobei, reihe mich dahinter ein. Die Ampel springt auf grün, im Trab hinterher, wir dürfen ja den Verkehr nicht aufhalten. Aber hier ist es ruhig, hier können wir wieder Schritt gehen. Auf der verkehrsreichen Quettinger Straße traben wir wieder an, rechts um, spurtet Minchen um die Kurve und haaaalt. Brav steht sie. Vorbildlich, Beifahrer Ulrich wartet am Kopf des Pferdes, Monika schicken wir in die Eisdiele, ich bleibe an den Leinen. Natürlich wird Minchen gleich von Kindern umringt. Natürlich bekommt sie meine Waffel. Natürlich möchte sie die vom Ulrich auch gerne haben. Sehr brav steht sie mitten in der Stadt vor der Eisdiele, bis wir unser Eis "begossen" haben.

Minchen, Du bist doch die Größte!
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