Berliner-Capuccino Ritt

23. Februar 2003 seit zwei Wochen strahlender Sonnenschein in Deutschland
Herrlich. Als die Einladung kam, dachte ich zuerst, "jetzt haben sie einen Knall, was sollen wir denn in Berlin?" *blush

Sonntag früh. Die Sonne steht bereits strahlend am Himmel, Raureif bedeckt die Wiesen und Felder. Ungeduldig verlangen die Pferde hinaus in das schöne Wetter. Langsam bekommen die Sonnenstrahlen richtig Kraft. Die ersten Krokusse zieren mit ihren Blüten die kurze karge Grasnarbe.
Minchen ist schnell gesattelt. Die neongelben Schuhe haben zum Glück bereits etwas von ihrem Glanz verloren. Unsere Hufspuren von Gestern in den Pfützenresten sind noch gefroren. Überreste eines Schneemannes stehen einsam in einem Vorgarten, wirken irgendwie fehl am Platz.
Pünktlich um 10:55 Uhr erreichen wir den Treffpunkt, den Stall der WFW (Western- und FreizeitreiterfreundeWiehbachtal. Die anderen sind schon fast alle da. Minchen begrüßt ihren Freund Billy, spitzt angeregt die Ohren. Einer fehlt noch. Auf der Straße braust ein Pferdeanhänger vorbei, sind sie das? Aber nein, mit unverminderter Geschwindigkeit fährt er vorüber. OK, 15 Minuten geben wir ihr. 11:20 Uhr Abritt. Halt, zuerst über die Straße. Perfekte Organisation, direkt nach der Straße kommt ein großer Holzstapel, so daß sich auch die Großpferdereiter pferderückenschonend in den Sattel schwingen können.
Kurze Vorstellung: Initiatorin, Organisatorin, und Rittführerin ist Uli mit ihrem Shire-Welsh Billy. Mit von der Partie sind Ruth und ihr Vollblut-Lusitano Rubino, ein wahrer Riese, der mit ebensolchen Schritten weit voraus schreitet. Außerdem der Haflinger Shadow mit Jutta im Sattel und Manuela auf ihrer Tinkerstute Casey – beide Gäste vom VFD-Rheinwupper, herzlich Willkommen. Ja und Minchen natürlich, mein treuer Norweger mit mir.

Auf geht es. Der Wiesenweg hinter den Tennisplätzen mit den gefrorenen Maulwurfklumpen führt steil bergan. Mühsam erklimmen die Pferde diese Hürde. Es ist noch nicht Minchens Zeit, bald hängt sie hinterher, während Rubino sich heftig gegen den verhaltenden Zügel wehrt und munter ausschreiten möchte. Die Autobahnbrücke, kein Thema. Über die Höhe reiten wir vorbei an bellenden Monstern hinter Gartenhecken und schlecht geparkten Autos. Dank unserer Gelände- und verkehrstauglichen Pferde bleiben alle Spiegel dran und alle Reiterbeine heil.
Das herrlich warme Spätwinterwetter und die schönen Wiesenwege erwärmen die Gemüter. Die Pferde sind nach der langen Frostperiode munter. Wir lassen sie laufen, den Berg hinauf sogar im Galopp. – Nebenbei bemerkt, die Hufschuhe sind noch da :-). An der nächsten Kreuzung wenden wir uns nach links wieder dem Tal zu. Vorsichtig setzen die Pferde ihre Hufe auf den stellenweise gefrorenen Boden. Sicher findet jedes Pferdebein seinen Weg hinab. Hurra, hinein geht es in den rostrot braun leuchtenden Wald. Die Pferde schnauben zufrieden vor sich hin. Minchen ist aufgewacht und Rubino läuft jetzt auch entspannter mit seinen langen Röhrenbeinen voraus. Raschelndes Herbstlaub weicht wieder dem freien Feld. Es ist wunderschön hier in den Ausläufern des bergischen Landes, bei tollem Wetter in einer netten Reitergruppe.
Wir folgen einem Sträßchen durch eine kleine Häuseransammlung, die Serpentinen hinab zurück in den Wald. Im Gänsemarsch laufen die Pferde auf diesem schmalen Waldweg. Auch sie scheinen den Ritt zu genießen, kein Zicken, keine angelegten Ohren. Ein kurzes Schweifwedeln signalisiert „halt doch bitte ein wenig mehr Abstand“. Für ein paar Meter verbreitert sich der Pfad. Die Bucht nutzen wir geschickt, um zwei Spaziergänger passieren zu lassen. Kramen nach dem Handy, das Picknick an den richtigen Pausenplatz zu dirigieren, doch oh weh, kein ausreichender Empfang. Das Waldgässchen öffnet sich zur Straße. Die beiden RheinWupper Reiter bringen ihre Pferde zum Bach hinab zum saufen. Gar nicht so einfach bei Niedrigwasser. Doch die Pferde sind geschickte Akrobaten und löschen ihren Durst.

Wir Reiter sizten ab, die Pferde senken gierig die Köpfe, stürzen sich hungrig auf das Gras der sonnendurchfluteten Wiese. Die meisten werden einfach laufen gelassen.
Das Auto rückt an. Mit dem selben Heißhunger, der gerade bei den Pferden gerügt wurde, stürzen wir uns auf die Berliner. Auch Kaffee, Tee und Kakao war in ausrechenden Mengen da. Billy inspiziert neugierig das süße Gebäck.
Es ist richtig richtig schön in der warmen Sonne bei fast frühlingshaften Temperaturen. Da hat es niemand eilig. Einmal holen wir unsere verstreuten Pferde näher zusammen. Rubino scheint Gefallen an Minchen gefunden zu haben. Immer wieder schleicht er sich in ihre Nähe, doch sie hat ausschließlich Augen für das Grün zu ihren Hufen. Die Mägen sind gefüllt, die letzten Zuckerkrümel vertilgt sezten wir den Berliner-Capuccino Ritt fort. Zwischen Schrebergärtchen hindurch gelangen wir mal wieder zurück in den Wald. Einen flachen Bachlauf durchqueren alle Pferde ohne Kommentar. Glitzernde Eiszapfen trotzen der Sonnenenergie, sublimieren still vor sich hin, bizzare Formen bildend. Im flotten Trab erreichen wir die Felder. Breit angelegte Reitwege führen zwischen den Äckern hindurch über die Höhe, herrlich zum Galoppieren. Und weil es so schön ist zurück und gleich noch einmal. (Minchen buckelt sich den Winterfrust von der Seele, die Schuhe halten!) Das war schön.

Hinab in die Wälder trennen sich unsere Wege. Ruth und Uli reiten wegen Termindruck den direkten Weg zurück, während wir noch einen ausgedehnten Bogen schlagen. Wir haben die letzen drei Wochenenden geübt, damit ich den Weg auch sicher finde. Irritiert dreht Minchen sich immer wieder nach Billy um. Das passt ihr nun gar nicht. Die Straße führt in einem Bogen um die Waldnase herum, schon sind wir auf der nächsten Galoppstrecke. Weit greifen die Pferde aus, Shadow voran, Casey hinter Minchen. Viel zu schnell ist auch hier das Ende erreicht. Unter der Autobahn hindurch, unheimlich hallt der Klang der Hufe von den Brückenwänden wieder, vermengen sich mit dem Echo eines dröhnenden Automotors. Schnell entschwinden wir wieder in die erholsame Ruhe des Waldes. Minchen hat es jetzt sehr eilig, beschleunigt ihre Schritte, daß die anderen kaum mithalten. Eine gute Übung für ihre Geduld: Warten. Einen Hügel mit einer kurzen Gelegenheit zum Galopp nehmen wir noch mit, dann begeben auch wir uns in Richtung WFW. Zwei umgefallene Bäume ersetzten die Cavalettiarbeit, gekonnt steigen die Pferde darüber. Der Rest ist Straße, richtige zweispurige Straße mit einem Radweg. Schade. Wir sitzen ab, schließlich heißt es „Wanderreiten“ (= Wandern & Reiten), lockern schon mal die Sattelgurte, die letzten Meter werden geführt.
Rubino ist bereits auf dem Heimweg, Billy versorgt. Shadow und Casey werden am Hänger abgesattelt, Minchen muß noch ein wenig aushalten, döst in der Sonne. Gemütlich lassen wir diesen tollen Tag zusammen ausklingen.
Schließlich wird es Zeit für den Heimweg. Minchen hat in ihrem dicken Pelzmantel genug für heute getan, ich benutze meine eigenen Beine. Nach nur 40 Minuten sind auch wir zu Hause angelangt. Ein lieber Mensch hat Wotan auf die Wiese gelassen, so war es auch für ihn ein schöner Tag. Zufrieden brummelt er und seine Begrüßung entgegen.

Bilder von Ritt gibt es auch endlich ... 

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