der wahre Pferdeflüsterer

Sie sind zur Zeit groß in Mode, die Pferdeflüsterer. Es mag etwas Wahres dran sein, aber der übertriebene Kommerz, der Linda, Monty, KFH, GaWaNi und Co umgibt, stört mich wahnsinnig. Auf der Equitana 2001 hat man leider sehr deutlich gemerkt, daß keiner von denen es nötig hat, noch irgend jemanden zu überzeugen, das Geld fließt...
Aber die Theorien haben einen interessanten Kern und die Grundidee, nämlich die Beschäftigung mit dem Pferd als Pferd und auch außerhalb der Reitbahn, haben einen positiven Effekt auf die Freizeitreiterei und den Umgang mit dem Pferd. Und Recht haben sie ja...

Meine Stute Teimina hatte bis zu ihrem 12ten Lebensjahr nur eine kleine Herde von 3 Ponies kennengelernt. Mit drei Jahren war sie beim Hengst, hat aber nie ein Fohlen bekommen. Seit dem reagierte sie auf fremde Pferde äußerst aggressiv mit Schlagen, während Pferde hinter einem Zaun eher Panik auslösten. Nach dem Tod der Mutterstute war sie sehr verunsichert und fing an zu "kleben". Ein Jahr später zog sie zusammen mit ihrem Gefährten, dem 26 jährigen Welsh Wotan in einen Pensionstall, wo sie sich plötzlich mit 8 Ponies, 2 Eseln, einen Schwein und 10 Großpferden konfrontiert sah. Die Stute regte sich derartig auf, daß an die Integration in die Ponyherde zunächst nicht zu denken war. Sie vergaß auch alle ihre guten Manieren, ließ sich nicht vom Wotan wegführen und veranstaltete beim Putzen einen Affenzirkus. Wotan schien sich in der Herde wohl zu fühlen, nie mehr alleine zurückbleiben... Am liebsten hätte er mit jedem erreichbaren Pferd um die Wette gequitscht, aber die Stute hat ihm das strickt verboten. Zuerst umkreiste sie ihn permanent und wies jeden vermeindlichen Angreifer mit heftig angelegten Ohren und gebleckten Zähnen in seine Schranken. Dann hat sie einem formschönen "follow up" wie aus dem Bilderbuch erreicht und Wotan wich nicht mehr von ihrer Flanke.
Nach ein paar Tagen hatte sich die schlimmste Aufregung gelegt, die Stute respektierte mich wieder und wir wagten den ersten Kontakt mit einem Vertreter der angestammten Herde, Sammy. Sammy ist ein Haflinger Wallach von kräftiger Statur und sonnigem Gemüt. Und Sammy zwang diese Stute zum "join up" - genau so, wie die modernen Pferdeflüsterer ihn beschreiben. Kaum waren die drei auf einer Weide, fing die Stute mit ihrem Getue an. Sammy schaute sich das eine Weile an, dann forderte er seine angestammten Rechte und verbannte sie an den äußersten Rand der Weide. Er schnappte einmal kräftig nach ihr, danach genügte ein drohender Kopfschlenker, um sie weiterhin am Zaun entlang traben oder galoppieren zu lassen. Dabei war er garnicht aggressiv, legte noch nicht einmal die Ohren an. Die ersten Schweißperlen traten ins Fell und Wotan schaute sich das Ganze bloß an. Der Stute war die Situation sichtlich unangenehm, aber sie war auch nicht bereit, klein bei zu geben. Also trabte sie weiter um die Weide, bis sämtliche Schweißporen ihrer Aufgabe nachkamen.
Damals hatte ich vom "join up" noch nichts gehört, sonst hätte ich mich sicherlich nicht eingemischt sondern die Aktion weiter beobachtet. So aber zerfloß mein Herz vor Mitleid und ich wollte meine Stute von der Weide holen. Dabei trat Sammy bloß einen Schritt in unsere Richtung, Teimina nahm samt Strick Reißaus und ich landete im Dreck. Nach ein paar weiteren Runden um die Weide gelang es mit wenigstens, ihr den Stick wieder ab zu nehmen.
Ich ließ sie laufen, hatte ja auch kaum eine andere Chance. Schließlich, aus eine mit nicht ersichtlichen Grund blieb Teimina stehen, beäugte Sammy aus sicherer Entfernung und ließ die Ohren aufmerksam spielen. Dabei senkte sie auch ein wenig den Kopf. Sammy wendete sich daraufhin dem Gras zu und Teimina ließ sich von mir aus der Weide bugsieren.
Der "join up" hatte mal wieder funktioniert. Allerdings verlangte Sammy hinterher keine Gehorsamsübungen und keinen "follow up". Aber von da an wurde er intensiv begrüßt, sobald die Stute seiner ansichtig wurde. Nun interessierte sich die Stute auch für andere Pferde, ohne gleich in Panik zu geraten. Überhaupt habe ich absolut keine Probleme mehr mit Ungehorsam. Sie ist überaus aufmerksam und fleißig, kommt gleich ans Tor, sobald sie mich sieht und folgt auch frei dicht an meiner Schulter.
Teimina hat gelernt, daß sie sich auch mal unterordnen muß und darüber hinaus hat sie gelernt, das auch zu verkraften und Signale anderer zu beachten. Sie hat ihr Selbstbewußtsein gefunden und ist ein sozial ausgeglichenes, aufmerksames und sicheres Pferdchen geworden. Knapp 5 Monate später haben wir erneut den Stall gewechselt. Die Integration in die dortige Herde mit 32 Pferden jeder Größe und Rasse stellte absolut kein Problem dar. Wotan folgte diesmal von sich aus ihren Anweisungen und eine Stunde später war die Integration vollzogen. Die ranghöheren Tiere machten ihre Position deutlich und Teimina akzeptierte das sofort.

Inzwischen haben sich sogar neue Pferdefreundschaften herauskristalisiert aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.