Herbert Grönemeyer

live in Düsseldorf
8. Juni 2011

Der Anruf kam überraschend, kommst Du morgen mit aufs Konzert in Düsseldorf? Grönemeyer, klar doch. Das werde ich ganz zappelig, hurra, ich freu mich sschon, ich freu mich schon.

Ich habe keine einzige Platte von ihm im Regal stehen, aber live ist er wirklich ein Erlebnis. 3 Stunden Deutschrock pur, die "ganzen alten Kamellen". Da bekommt man etwas für sein Geld. Ich habe ihn ja schon mal live in Frankfurt gesehen, aber das ist eine andere Geschichte, die ein anderes Mal erzählt werden soll, aber da hat er auch so lange gespielt und es kam einem nur ganz kurz vor...

Erstmal Lidija in Düsseldorf treffen. Die Bahn genommen aber keinen Ticketautomaten gefunden. Versteckt direkt hinter dem Fahrerhäuschen habe ich ihn doch noch gefunden. Puh, Glück gehabt. Die richtige Haltestelle ist schnell erreicht, aber wo ist das rote Auto? Da ist es, jetzt aber schnell hinüber zur Arena. Eine Fußballarena, nicht so das Ambiente für ein Konzert, aber wo sonst will man soooo viele Fans auf einmal unter bringen?

Spielzeugschiffe auf der Leinwand, wo ich doch gerade so im Modellbaufieber bin, das passt.
Ab dem dritten Song kocht die Stimmung, es ist sooo so gut, standing ovations, uns hält es nicht mehr auf den Sitzen. Bochum ja! Wie oft habe ich in letzer Zeit genau an dieses Leid gedacht. Ich komm aus Dir! Weltststadt von Rang. Da weiss ich, wo ich hin gehöre. Sie hört Musik nur wenn sie laut ist. Mensch. Stillstand ist der Tod, Geh voran, Bleibt alles anders. Der erste Stein fällt in der Mauer, der Durchbruch ist nahe...
Die Bühne sieht aus wie eine t-RNA, für mich ist sie das, von ihr wird die gute Laune ins Publikum transferriert.
Schokoladenpause nach 1 1/2 Stunden, der Künstler hat Hunger, braucht Energie, für dieses grandiose Konzert. Es ist toll. Dann nochmal anderthalb Stunden Zugaben.
Dritte Zugabe "gut, dann spielen wir die ganzen alten Kamellen auch noch". Das ist toll. Vollmond, Alkohol, Flugzeuge in Deinem Bauch, etwas für die Maschinenbauer im Publikum.
Currywurst, ein Wunsch aus dem Publikum. dabei "gibt es die doch hier garnicht, die gibt es doch nur im Pott" - von wegen. Draußen stand doch alles voll von Currywurstbuden und gerochen hat es auch danach.
November, Glück, Meer (Das kennt wieder keiner). Keiner liebt mich so wie ich (keiner liebt Dich so wie wir!), was soll das? Nicht zu ernst nehmen, nicht alle Lieder sind persönlich.
Den Raum mit Sonne geflutet, jeden Verduß ins Gegenteil verkehrt.
Zeit, dass sich was dreht. Die Uhr unaufhaltsam.
Die Füße tun weh, aber es wird ein toller langer Abend.
Die Fussballarena ist schlecht ausgesteuert. Die Lautsprecher dröhnen, es scheppert, am Ende habe ich ein Piepsen im Ohr und Nachhall war auch da.
Womit habe ich das verdient, dass der mich so blöde angrinst?
Ich verzettel mich nicht. Plan B ist essentiell. Je eher Du gehst, desto leichter wirds. Wohl denn. Gute Ergebnisse, Paper, Drittmittel, dann habe ich mein Arbeitsleben selber in der Hand. Klassiker. Genial.
Bis halb zwölf und die Süße ist noch nicht versorgt...
Trotzdem werde ich bei meinem Fahrrad am Bahnhof abgesetzt.

Hach, war das gut!
  1. Schiffsverkehr
  2. Kreuz meinen Weg
  3. Fernweh
  4. Halt mich
  5. Bochum
  6. Sie hört Musik nur wenn sie laut ist
  7. Stück vom Himmel
  8. Deine Zeit
  9. Zu dir
  10. Männer
  11. Was soll das
  12. Der Weg
  13. Auf dem Feld
  14. Kopf hoch, tanzen
  15. Unfassbarer Grund
  16. Alkohol
  17. Mensch
  18. Bleibt alles anders
  19. Zum Meer
  20. Land unter
  21. Demo (Letzter Tag)
  22. Zeit, Dass Sich Was Dreht
  23. Flugzeuge im Bauch
  24. Glück (das kennt wieder keiner)
  25. So wie ich
  26. November
  27. Currywurst
  28. Lass es uns nicht regnen
  29. Vollmond
  30. Zur Nacht

Es kann keiner behaupten, Bochum sei nicht grün.
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Konzert in Esprit-Arena vor 34.000 Fans

Grönemeyer in Hochform

VON PHILIPP HOLSTEIN - zuletzt aktualisiert: 09.06.2011 - 20:04
http://www.rp-online.de/kultur/musik/Groenemeyer-in-Hochform_aid_1007699.html

Düsseldorf (RPO) Deutschlands populärster Sänger Herbert Grönemeyer ist in der Düsseldorfer Esprit-Arena aufgetreten. Der 55-Jährige gab ein begeisterndes Konzert vor 34.000 Menschen.

Das letzte Drittel dieses fabelhaften Abends hat soeben begonnen, als man begreift, warum dieser Künstler groß ist – als man es zu durchschauen meint: das Prinzip Grönemeyer. In der besten Phase des Konzertes lässt der 55-Jährige das Licht dimmen, er beginnt seinen Hit „Bleibt alles anders“ von 1998 a cappella, er steht einsam im Dunkel, auf einem Steg in Kopfhöhe des Publikums, im Schein einer Funzellampe. Er reimt die Signalworte seines Lebenswerkes, „Traum“ und „Zeit“ und „Raum“, dann rollen wütende Gitarren über das Lied hinweg, wuchtige Beats prügeln darauf ein.

Das Licht geht an, es blendet, das Stroboskop peitscht die 34.000 in der Düsseldorfer Esprit Arena mit grellen Hieben. Grönemeyer streckt die Arme aus, er zuckt unter den Blitzen, aber er reicht allen die Hand ins Chaos, allen und also uns, er öffnet seine lyrische Hausapotheke und behandelt die Gemarterten mit populärphilosophischem Balsam: „Es gibt viel zu verlieren, du kannst nur gewinnen / Genug ist zu wenig, oder es wird so, wie es war / Stillstand ist der Tod, geh voran, bleibt alles anders / Der erste Stein bricht aus der Mauer, der Durchbruch ist nah.“

Jeder säuft den süßen Sud, und wer zweifelte, an sich oder an irgendwas, der fühlt sich plötzlich erhaben, der ist seiner selbst gewiss, ist sicher und geborgen. Wir-Gefühl, Hiersein, alles gut. Mehr kann Rockmusik nicht erreichen.

Grönemeyer ist Grönemeyer nur live. Songs, die im Wohnzimmer verloren im Raum stehen, entfalten in der Arena ihre Wirkung. Sie wollen atmen. Grönemeyer eröffnet die zweieinhalb an Zugaben reichen Stunden mit den aktuellen Stücken „Schiffsverkehr“, „Kreuz meinen Weg“ und „Fernweh“. Er treibt die Lieder mit hoher Geschwindigkeit von der Bühne, die mit ihren fünf Masten und den wie Segel angeordneten Monitoren an ein Schiff erinnert. Der Sound stimmt zu diesem Zeitpunkt noch nicht, die Musik der an sich wunderbaren neunköpfigen Band rennt unkontrolliert gegen das Dach der Halle, man versteht kaum den Text.

Das Publikum, das zumeist mit Golf plus und 3er-BMW angereist ist, zögert. Grönemeyer schaufelt Hit um Hit in die Halle, er heizt die Kessel, bringt „Halt mich“, „Bochum“, „Musik nur, wenn sie laut ist“, dann hat er sie: Sie heben die Hände, die Bühne treibt im Meer der Zuschauer. Grönemeyer variiert die Stimmung, man ist gerührt, wenn er am Klavier „Stück vom Himmel“ spielt, und man kriegt schwer Luft, wenn er „Männer“ ins Metal-Inferno führt: zwei Schlagzeuger nehmen sich den Klassiker vor, zwei Gitarristen schneiden ihn in Scheiben. „Alkohol“ wird sodann zum Free Jazz, „Deine Zeit“ über Grönemeyers an Alzheimer erkrankte Mutter ist das Memento Mori im Stahlbad des Amüsements.

Grönemeyer trägt Anzug, „zum ersten Mal“, kokettiert er, „gehört sich ja so in Düsseldorf“, dazu Turnschuhe von Adidas. Nach einigen Liedern ballt er die Faust, manchmal macht er Tanzschritte, die stets mehr Schritt als Tanz sind. Er sagt, die USA hätten die Taliban selbst in Afghanistan angesiedelt, bevor er das Kriegsstück „Auf dem Feld“ anstimmt. Er ist Rumpelstilz und Kumpelkerl, Spintisierer und Phantast, Kasper und Könner, der Zechen-Sinatra aus der großen Welt.

Auf den Monitoren laufen Einspielfilme, die Grönemeyer schlafend zeigen oder als Seebär in Ölzeug. Ausgedacht hat sich das Grönemeyers Kumpel, der Fotograf und Regisseur Anton Corbijn. Ein zurückgenommenes, doch immens effektives Bühnenambiente. Grönemeyer kennt den Weg zum Schalter an Volkes Seele, er kann ihn umlegen und machen, dass du nachdenkst, lachst, Energie tankst – wie er will.

Der Höhepunkt ist das geheime Lied der Deutschen, „Mensch“ von 2002. „Und der Mensch heißt Mensch / Weil er vergisst /Weil er verdrängt / Und weil er schwärmt und stählt / Weil er wärmt, wenn er erzählt / Und weil er lacht / Weil er lebt /Du fehlst.“

Diese Zeilen sind der Haupttext im Lesebuch für den deutschen Gegenwartsbewohner, der Urmeter momentanen Befindens, und Grönemeyer singt sie mitten im Publikum, er legt das Lied als Soulnummer an, Soul wie Seele, und als danach der Jubel nicht enden mag, gibt er eine „Mensch“-Zugabe mit lateinamerikanischer Note: „Es ist Sonnenzeit“.

Mensch Herbert. Mensch, Herbert. Gigant.