Der Sturm von letzter Woche hat mit über 200 Stundenkilometern
kräftig gewütet, der Weg ist uns versperrt, so daß wir
eine Abkürzung wählen müssen, direkt den Berg hoch. Eng
ist der Weg, gerade mal ein Pfad, die Wurzeln und Steine bilden Treppenstufen
über die die Pferde im Gänsemarsch klettern müssen und immer
wieder zwingen uns umgestürzte Bäume ins Dickicht. Ich kralle
meine Finger in die kurze Norwegermähne und versuche, meinem bergunerfahrenen
Fjordpferdchen blind zu vertrauen. Das ist steil, das ist anstrengend.
Mühsam aber tapfer bahnt sich Minchen ihren Weg, kämpft sich
immer höher hinauf, überwindet Kiefern und Baumstämme, Brombeerranken
und Gestrüpp, bleibt kurz stehen um Atem zu schöpfen und klettert
tapfer über die Hindernisse bergan. Da passiert es, auch Billy bleibt
stehen, Minchen will sich vorbei drängelnd, das darf sie nicht. Meine
Stiefelspitze bohrt sich in Billys Po, das gefällt ihm garnicht und
er gibt es deutlich zu verstehen. Nun hält Minchen Abstand.
Endlich ist es geschafft, nur noch eine umgefallenen Baumgruppe umrunden
und der Weg ist wieder frei, läd ein zu einem befreienden Trab. Ich
bin schon ein wenig beeindruckt von dem Ehrgeiz meiner Stute. Geradeaus
hat sie Gelegenheit, sich zu erholen.
Bergab ist es ganz anders, da übernimmt Minchen die Tete, gleitet
mit ihren Eisen den Asphalt hinunter, ist kaum zu bremsen. Auf Billy warten
- wer ist Billy? Selbst die Isis haben Mühe dran zu bleiben -oder
sind sie einfach nur viel vernünftiger???
Hinaus aus dem Wald geht es den mittlerweile vierten Hügel hinauf.
Minchen wirkt langsam wirklich erschöpft. Also sitzte ich mal wieder
ab und laufe ein Stück. Denn "wer sein Pferd liebt - der schiebt"
- oder hatte das eher etwas mit Fahrrädern zu tun? Da habe ich aber
die Rechnung ohne mein Minchen gemacht. Befreit von meiner Last im Trab
geht es leichter, immer schneller greift sie aus und zieht mich am Zügel
hinterher bis ich auch laufe und mir die Puste ausgeht. Die Straße
ist hier richtig naß, es scheint wir haben unheimlich viel Glück
mit dem Wetter, denn WIR sind trocken.
Wir reiten durch ein nettes Örtchen namens Hüttchen hindurch, an einer Straße entlang und schon werden wir wieder in die Wildnis geführt. Wald ist hier ganz bestimmt keine Mangelware. Das hat einen bedeutenden Vorteil gegenüber der niederrheinischen Tiefebene: man kann auch Samstags zwischen Mitte Oktober und Mitte Januar ausreiten, ohne tausend Ängste ausstehen zu müssen, unvermittelt in einer Horde von Treibern und einen aus einem Autotroß herausquellenden Schwarm von schießwütigen Jägern zu geraten.
Fast ist es geschafft, ich kann die Waffeln förmlich schon riechen. Die Isis sind an ihrem Offenstall angelangt und wir legen den lezten Rest des Rittes mit einer guten Wegebeschreibung ausgestattet alleine zurück. Zurück im Wald, über Stöckchen und Stöcke führt die breite Schneise hinab zum Bachlauf. Ein schmaler Holzsteg ist darüber gelegt, geeignet, Hunde und Füßgänger trockenen Fußes an das andere Ufer zu geleiten, jedoch völlig untauglich für Pferde. Billy kennt das schon, er watet wie empfohlen rechts daran vorbei durch das gurgelnde Wasser, während Minchen das Ganze mißtrauisch beäugt und entsetzt zurückweicht, als der Boden unter ihren Hufen nachgibt. Nun gut, ich sizte wieder ab und maschiere voran, hindurch durch das kühle Naß, tief ist es nicht. Minchen versucht über den Steg auszuweichen, dumm ist sie nicht, aber schließlich folgt sie mir waagemutig, setzt ihre Hufe ins fließende Feucht und plantscht durch das Wasser. Gleich springt sie mir mit einem Satz in den Rücken, aber nein, sie beherrscht sich. Hier ist es ein wenig morastig, deshalb sitzte ich gleich wieder auf, wir traben ein Stück, denn die Dämmerung bricht herein und die Waffeln locken. Noch einmal führt der Weg bergauf. Minchen trabt an, bleibt stehen, nur um wieder ungestüm vorwärts zu ziehen. Langsam hat sie wohl genug, da sind wir auch schon wieder am Hänger. Die Pferde werden versorgt, das feuchte Winterfell in eine warme Decke eingepackt auf die Wiese entlassen. Minchen ist erschöpft und hungrig, stürzt sich gierig auf das Gras, während Billy sich genüßlich wälzt. Zunächst merkt sie garnicht, daß es Dunkel wird, sie sich in einer fremden Umgebung befindet und ich sie schmählich alleine zurücklasse um mir die Wampe vollzuschlagen.... Uli hat nämlich leckere Waffeln mit heißen Kirschen und Saaaahhhne vorbereitet, die bereites für uns gebacken werden.
In gemütlicher Runde am Küchentisch lassen wir den Ritt ausklingen.
Ein genialer Tag, gut organisiert und durchgeführt. Danke Uli und
Silvia für die Gastfreundschaft!
Ein unruhiger Blick auf die Uhr treibt mich wieder hinaus, ich mache
mir immer schreckliche Sorgen, daß Minchen mal zu viel Gras bekommen
könnte, ich halte sie streng auf Diät, um sie vor einem neuen
Reheschub zu schützen. Kaum hat sie mich erspäht, kommt sie auch
schon wiehernd angelaufen, es ist Dunkel, es ist fremd hier, es ist einsam
und es ist Zeit für ihr Abendessen!
Die Decke ist natürlich längst durchgeschwitzt. Zum Glück
habe ich gleich ein ganzes Arsenal an Decken eingepackt und ziehe ihr für
die Heimfahrt eine trockenen Decke über. Minchen geht es jetzt garnicht
schnell genug, doch zuerst wenden wir die Gespanne, bevor wir unsere fleißigen
Pferdchen verladen. Billy stampft brav in den Hänger, Minchen wäre
am liebsten gleich hinterherspaziert, doch sie hat ihr eigenes Gefährt,
da muß sie jetzt einsteigen. Das paßt ihr nun überhaupt
nicht, den neugewonnenen Freund hier und jetzt und viel zu früh verlassen
zu müssen und sie bringt das deutlich zum Ausdruck. Unter Protest
läßt sie sich in den Hänger bugsieren, immerhin ist es
inzwischen völlig dunkel.
Heimwärts fahren wir wieder Kolonne, zurück über die kurvenreiche Bergstraße, bis wir an unserem Abzweig unsere Führerin und Organisatorin verlassen. Das Gäßchen hoch muß mein Auto Rasputin ordentlich ziehen und dann sind wir auch schon wieder zu Hause. Wotan schmettert uns lautstark seinen Gruß entgegen und auch Minchen sieht ein, daß dieser Hänger die richtige Wahl war, denn Billy ist nirgends zu sehen. Er ist sicher in seinem eigenen Stall aber wir fahren ihn bestimmt mal wieder besuchen, denn der Ritt in dieser Begleitung hat uns großen Spaß gemacht.
Jetzt zeigt sich auch, daß Fleece die richtige Wahl für einen
Norweger ist, denn obwohl die Decke gut drei Nummern zu groß ist,
trocknete Minchens Winterpelz gut ab. Während außen auf der
Decke der Wasserdampf kondensiert, ist mein Pferd warm und trocken eingehüllt.
Gemistet haben wir schon und Minchen widmet sich gleich ihrem Futtertrog.
Was für ein schöner Tag.
Wotan betritt brummelnd die Nachbarbox, auch er fordert seine Ration.
Während die Pferde friedich kauen, kehre ich die Rampe und setzte
den Hänger zurück in seine Nische. Die Pferde sind versorgt,
die letzen Gute Nacht Lecker verteilt, ich mache mich - müde aber
glücklich - auf den Heimweg. Kaum sitzte ich wieder im Auto, als die
ersten dicken Regentropfen gegen die Windschutzschiebe trommeln. Moi, was
haben wir mal wieder ein Glück mit dem Wetter!
Zum Abschluß Waffeln mit Sahne
Hmmmm was ein herrlicher Tag!