Ein schaurig schöner Herbsttag
Keiner will es mir glauben, aber in Leverkusen regnet es viel mehr, als
in Krefeld, statistisch gesehen genau 180 mm im Jahr. Und wer zählt
die Schauer pro Tag an einem schaurig schönen Herbsttag?
Doch heute habe ich Glück, ich komme trocken von der Arbeit heim,
vergeude nur wenige Minuten beim Umziehen und schwinge mich 15 Minuten
später schon wieder auf das Rad Richtung Stall. Unterwegs treffen
mich nur ein paar ganz wenige dicke Regentropfen. Minchens Fell ist plüschig
trocken und sie schaut mir unternehmunglsustig entgegen. Eigentlich haben
wir eine Chance. Wenn ich mich doll beeile, könnten wir durch den
Wald durch sein, bevor es völlig Dunkel ist und im Mondschein über
die Höhen zurückreiten.
Also flugs Minchen über das Fell gebürstet, satteln ist Zeitverschwendung,
unsere "Weihnachtsbaumbeleuchtung" aus Leuchtgamaschen, Bänder, Halsring,
Weste angelegt uns ab geht es. Uns fehlt noch eine handliche kleine Taschenlampe,
denn die Funzel an meinem Bein ist nicht wirklich dazu geeignet, uns den
Weg zu leuchten, gerade mal um gesehen zu werden und der StVO Genüge
zu tun. Im Wald ist es doch schon arg duster. Die zwei Pudel von Hinten
sind kaum als solche zu erkennen, doch den Jogger mit der weißen
Windjacke kann man noch sehen. Links rauscht der Ölbach neben einer
schmalen Talweide, rechts erhebt sich der dunkle Hang rauf zur Eisenbahnschiene,
unter uns raschelt das Laub oder knackt eine Eichel. Doch meine Prinzessin
schreitet mutig voran - ganz anders als noch vor zwei Wochen, wo sie auf
dem Absatz umkehrte und nach Hause lief - nun ja, die Begegnung mit Indi
war nicht ganz unschuldig, doch das ist eine andere Geschichte und soll
ein anderes Mal erzählt werden.
Nun haben wir den Wald hinter uns. Der Weg führt kurz bergan,
um in die Straße zu münden und sich wieder dem Tal zuzuwenden.
Das Licht der Straßenlampen spiegelt sich auf dem nassen Asphalt.
Der Wind treibt sein Spiel mit den Wolken, doch der Himmel hält dicht.
Plötzlich zögert Minchen, der Gullideckel ist sonst auch
da! Allerdings rauscht er sonst nicht. Und dieses Tonschaf hat Dir auch
noch nie etwas getan - geschweige denn sich jemals gerührt. Also gut,
Minchen kennt den Weg, ist ausnahmsweise mal bereit anzuhalten und ein
einsames Auto vorbei zu lassen. Jetzt erklimmen wir die Anhöhe. Hier
ist mehr Verkehr, das Claashäuschen ist ein beliebtes Restaurant in
der Gegend. Doch die Böschung erhebt uns über die Blechkarren.
Links ab über die Höhen ist es wieder Dunkel. Nur vom Reitplatz
leuchtet der Fluter durch die Baumkronen. Oh wie fürchterlich, da
ist ein Lichtfleck auf dem Boden. Minchen hält das nun wirklich für
ein pferdefressendes Ungeheuer und beeugt das Ganze scharf... und dann
bewegt sich auch noch ein großer dunktler Schatten über eben
diesen Lichtfleck. Minchen nun vollends von der Gafährlichkeit überzeugt
rammt die Füße in den Boden, der Körper bebt, jede einzelne
Muskelfaser ist angespannt. Vorsichtig blinzelt der Vollmond durch ein
Wolkenloch, versteckt sich aber gleich wieder. Es ist nur ein Reiter auf
dem Reitplatz, der es wagt, sich durch den Lichtkegel zu bewegen. Heftig
bläst Minchen die angehaltenen Luft Luft duch die Nüstern und
wir setzten unseren Weg durch die Nacht fort unbehelligt von etwaigen Raubtieren.
Eilig hat sie es jetzt, das Fjordie, auf dessen Rücken ich mich durch
den lauen Herbstabend tragen lasse. Sie möchte antraben, aber erst
müssen wir die Ranch passieren. Freies Feld, freie Sicht über
den Höhenweg, sie trabt an, den Renntraber in mind legt sie los, doch
lange hält sie nicht durch, es ist zu steinig und zu dunkel. Rechts
von uns leuchtet Leverkusen mit seiner Industrie, doch zwischen uns liegen
dunkle Weiden und Täler. Wie der aufgehende Mond strahlt plötzlich
das Bayer-Kreuz hinter einem Gebüsch hervor. Niemand begegnet uns.
Nein Minchen, der Eichenweg ist jetzt wirklich zu dunkel und zu stufig.
Das Maisfeld ist noch nicht gepflügt, wir nutzen die Gelegenhiet zum
zweiten Trab bevor der Hohlweg uns zurück in die Zivilisation runter
ins Tal führt und wir am Stall einkehren. Die plötzlich aufflammende
Hausbeleuchtung oder das Gitter quer über der Straße sind kein
Problem mehr und auch die Treppe zum Hof nimmt Minchen gekonnt lässig.
Wieder da trompetet Wotan uns seinen Gruß entgegen. Was für
ein schaurig schöner Herbsttag.
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