Kinder der Nacht

Nachtritt der Kinder vom Grunderhof...
Es war eine ziemlich spontane Idee. Ich kam zum Stall und konnte meinen Augen nicht trauen: beide Boxen schon gemistet und frisch eingestreut! Na, dann hab ich ja richtig Zeit für einen richtig schönen Ausritt :-) Klar, daß ich die Urheberin der Überraschung auf meinem zweiten Pony mitnehme. Mit einer Mischung aus Furcht und Freude nimmt diese das Angebot auch an, nicht ohne uns "Großen" das Versprechen abzunehmen, sie nicht alleine zu lassen.
Im Wald ist es stocke duster. Kaum ist die Hand vor den Augen zu erkennen, nur Indis rotes Blinklicht vor uns weist uns den Weg. Munter fliegen die Erzählungen hin und her. "Also solange ihr Euch unterhaltet, ist es garnicht so unheimlich". Ok, ab jetzt wird geschwiegen und wir machen nur hin und wieder huhuu.... NEIN.
Natürlich unterlassen wir das, wir wollen ja niemanden ängstigen. Aber das bringt uns auf eine Idee, wie wäre es mit einem Nachtritt für die Kinder vom Grunderhof? Schon sind wir auf dem Höhenweg, hier zieht es ein wenig, dafür ist es fast taghell. Wotan ist richtig gehfreudig und setzt zum Trab an, ok, wenn sie wollen, lassen wir sie ein wenig traben, der Weg ist gut befestigt und hat auch keine Löcher. Je schneller man läuft, desto eher ist man beim Futter.

Gedacht getan, per Mail arbeiten wir die Details aus. Ohne Unterschrift geht nichts, man muß sich schließlich absichern. Ein Termin ist auch schnell gefunden, Freitag der 14. November. Vollmond ist zwar genau eine Woche eher, aber da ist leider auch der St. Martinszug. Aushang gebastelt, gespannt warten wir auf die Anmeldungen. Die "Einverständniserklärungen" sind schnell weg, hinter den Kulissen wird eifrig beraten.
So, wo reiten wir lang, klar, durch den Wald, ein wenig unheimlich darf es ja ruhig sein, hoffentlich hält das Wetter. Ein paar Tage vorher bei Vollmond reiten wir die Strecke ab. Obwohl die Scheibe hellweiss am Himmel prangt, ist es im Wald sehr finster, eigentlich sieht man noch weniger als Nichts. Minchen, bist Du sicher, ich meine, der Weg müßte ein paar Meter weiter rechts sein.... aber da ist der Abgrund. Minchen ist sich jedoch völlig sicher und drängt voran. Im Lichtkegel der Taschenlampe sehen wir, daß sie recht hat, der Lichtkegel fällt genau auf das blaue Schild mit dem weißen Reiter... Sind schon Nachterprobt, unsere beiden Pferdchen Husar und Teimina. Aber an die Lichtflecken der Taschenlampe müssen sich die Pferde jeden Winter erst wieder gewöhnen. Die Strecke ist in Ordnung, die nehmen wir.
Kurzfristig enschließe ich mich, den Teilnehmern auch noch eine kurze Einführung in das "Nachtreiten" zu geben, sollen ja schließlich auch was lernen bei so einer Veranstaltung. Die Anmeldungen trudeln ein, es kann losgehen.
Alle haben an die Unterschrift der Eltern gedacht, prima, aber sind auch alle verkehrssicher ausgerüstet? Felix hat einen Blinki im Schweif, Stormur ebenfalls. Alle Pferde und Reiter sind mit vielen Reflektoren ausgerüstet. Das ist schön, genügt aber nicht den Vorschriften. In der StVO ist eine Beinlampe vorgeschreiben, die nach vorne ein weisses und nach hinten ein rotes Licht hat. Eine aktive Beleuchtung ist nicht durch noch so viele Reflektoren zu ersetzten. Immerhin, alle Reiter tragen einen Helm :-)
Zunächst versammeln wir die aufgeregte Hühnerscharr am Hühnerstall. Welche "Gefahren" lauern in der Nacht? Klar, da gibt es plötzlich aufflammende Bewegungsmelder, flitzende Lichtkegel, große dunkle unbeleuchtete Monster mit Hunden, nich tzuletzt der eigene Schatten im Scheinwerferlicht. In der Nacht sieht alles anders aus, klar, daß nur im Schritt geritten wird. Eine weisse Beinlame vorne, einen rote hinten, so reiten wir als Kolonne los.
Zuerst müssen wir eine kleine Sträßchen hinauf zur großen Straße. Ohne Autos und starke Lampen kann man gut sehen, wer aktiv beleuchtet ist und wer sich nur auf Reflektoren verläßt. Von den Pferden und Reitern ohne Blinke/Beinlampe sieht man gerade mal die Siluette gegen die Straßenlaterne, mehr nicht.
Oben an der großen Straße halten alle brav an, sogar die Autofahrer, so daß wir unbehelligt die Straße überqueren können. Angesichts der Mondsicht, die Halbmondsichel versteckt sich nämlich hinter einer dichten Wolkendecke, reiten wir die Runde anders herum, als geplant. Schon blitzen die ersten Einfahrtbeleuchtungen auf, aber alle Pferde bleiben cool. Es wird viel gelacht und gespottet. Am Feld angekommen möchte Bonny gerne zulegen, HAAALT.. wir reiten nur Schritt. Wir tauchen ein in den dunklen Wald. Es ist viel heller, als beim Proberitt, aber immernoch dunkel genug um ein leichtes Gruseln zu bewirken. Ich nehme meine Taschenlampe in die Hand, um besondere Stellen auszuleuchten, Achtung, hier ist der Bach, Vorsicht, wir kommen an die Senke, Obacht, mitten auf dem Weg steht ein Baum und hier sind neue Stolperstufen angebracht. Im Gänsemarsch folgen sie hintereinander, Nase an Schweif. Diesmal liegt der Abgrund links, ist der Weg nicht viel weiter rechts? Doch Minchen ist mal wieder völlig überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein und sie hat recht! Still wird es hinter mir, die Gespräche ebben ab. Jeder konzentriert sich auf sein Pferd und den Weg. Vor uns öffnet sich der Wald, mit der nächsten Biegung führt der Weg steil bergan. Schon sind wir wieder im offenen Feld, hell ist es heute... Die Pferde einer Rentnerherde kommen neugierig an den Zaun. Die Abteilung löst sich wieder auf, die Reiter gesellen sich in Zweiergruppen zusammen. Durch die Felder reiten wir zurück ins Dorf. Huch, wo kommen denn die ganzen Reiter her, da muß wohl eine Veranstaltung sein :-) An der großen Straße ist immernoch viel Verkehr, doch diesmal kommt uns ein Fußgänger zu Hilfe, der zufällig die Ampel drückt. Hinab geht es in den Grund, Straßenlaternen leuchten uns den Weg, doch die Abschnitte dazwischen sind recht dunkel. Eifrig streben die Pferde in den heimatlichen Stall. Ich hoffe, es hat allen Spaß gemacht!
 
 
 
 
 

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