Fast-Vollmond
Die Nachtreiterin
30. Mai 2007 - ab 22 Uhr
Still und einsam liegt das Dorf im Bergischen
Land. Es hat überraschend aufgeklart, Zwielicht, unwirklich, fast
unheimlich,
fünfzehn Grad, violett, lila. Insekten schwirren um die
Straßenlaterne.
Laut hallen die Eisen über den Straßenbeton. Ein paar
Restdunstfetzen verwischen
die Mondscheibe, als hinge sie hinter einem Riffelglas, fast kreisrund
schwebend über den Feldern. Nach dem Regen der letzten Tage
spriest das
Grün wuchernd aus der Erde. Ein paar letzte Sonnenstrahlen haben
sich im
Tal verirrt, verblassend das letzte Tageslicht. Rasselnd scheppert ein
Rolladen nieder. Selbst die große Bundesstraße liegt leer
und verlassen,
die Ampel sendet ihr grünes Licht über den Asphalt. Zwischen
den Gärten
ist es sehr ruhig, eine Katze huscht unter einen Zaun, die Schritte
eines
einzelnen Menschen hallen dumpf von den Hauswänden wieder, bis er
in einem
der Häuser verschwindet. Dunkle Schatten kauern in den
Straßenwinkeln und
Häusergassen. Ein buntes Blütenmeer hat graue silbern
schimmernde violette
Farben angenommen. Wir sind alleine, mein Pony und ich.
Die letzten Häuser liegen hinter uns.
Wir tauchen ein in die Wiesen und Felder. Doch. Ups, was ist das? Im
flirrenden
Mondlicht taucht eine geknüllte Plane vor uns auf, Reste von einer
Baustelle,
nichts Gefährliches Minchen, doch Minchen ist höchst
irritiert, der Boden
ist von schwerem Gerät aufgewühlt, nicht groß genug
kann der Bogen sein
um diese in unwirkliches Licht getauchte Folie. Doch kaum hat sie diese
Stelle passiert, ist die Aufregung Vergangenheit.
Hinab ins Tal der Weg ist böse ausgewaschen.
Obacht. Düster ist es im Wald. Ein Reh springt davon, ein Wiesel
quert
unseren Weg, Kaninchen stromern durch das Unterholz, ein Käuzchen
kräht
seinen Ruf in die Nacht. Sachte planschen Minchens Hufe durch den
Morast,
ist der Weg links oder rechts? So genau kann man das in der Dunkelheit
nicht erkennen. Hier hat es beim letzten Gewitter ein paar Bäume
umgehauen,
gelb gold blitzen die scharfen Splitter, ragen wie Schwerter über
den Weg,
ein wahrer Spießrutenlauf.
Leise plätschert ein Bach durch den
Wald. Stampfend erklimmen Minchens Beine die Anhöhe. Der
Fast-Vollmond
hinter einem lichten Hochnebelschleier taucht das blühende Gras in
silbernes
Licht. Bis über meine Knie reichen die Halme, knurps, knurps, kein
Problem
für Minchen reichlich zu naschen. Zwischen sanften strudelnden
Wogen rauschen
wir durch das Grasmeer, im Galopp, hui, ist das g...! Der Pfad ist
nicht
zu erkennen, aber Minchen weiss genau, wo es lang geht. Gras, nichts
als
Gras um uns herum. Vor uns teilt sich das Meer, nur der Kopf und der
Rücken
meines Pferdes schauen heraus, raschelnd bewegt sich die Mähne im
Takt
des Galopps, wie Schlingen greifen die Stängel nach meine Beinen,
nach
meinen Schuhen, hinterher ist alles voller Blüten. Ein leichter
Sog zieht
an meinen Füssen, an den Schnürsenkeln. Ein
schwindelerregendes Gefühl
packt mich. Ich könnte Juchzen vor Glück.
Der Ritt in der Dunkelheit durch das wogende Grasfeld bringt uns
zurück
in die Zivilisation. Die Straßenlaternen sind erloschen, der
Himmel hat
sich wieder zugezogen, im Stall brennt kein Licht. Düster
umhüllt uns die
Nacht, Hufe klappernd kehren wir heim.
designed by igramul