Bundes-Pferde-Festival
Warendorf
9./10. Juli 2005
Ein Distanzritt in erreichbarer Nähe, 150 km von
Leverkusen, klar, daß das mein Interesse weckt. Die Auschreibung
hört sich dann auch sehr einladend an, im Rahmen des
Bundespferdefestivals zum 100-jährigen Bestehen der FN wird
einiges geboten. Donnerwetter, so viel Phantasie hätte ich der FN
garnicht zugetraut. Gönnen wir uns ein buntes
Pferdefest-Wochenende? Jaaaa.
Hm, die Teilnahme ist auf 3 Starts pro Pferd begrenzt, das macht die
Auswahl schwierig und neben dem Distanzritt wird es wohl kaum zu
schaffen sein, an einem weiteren Wettbewerb teilzunehmen. Damit fallen
Aktionsparcour, Naturaltrail und Funtrail am Samstag schon flach. Oder
wie wäre es mit einem Verladetest gewesen? Kostüm- und
Showreiten sind ebenfalls im Angebot. Schade eigentlich, aber die
Distanz ist uns wichtiger, zumal sie mit einem engen
Zeitwertungsfenster und einem Zeittor am Ende Anspruch an die Taktik
stellt. Für Sonntag picken wir und das Tempofeeling heraus, ich
nenne noch das Handpferdereiten mit Mina und Roegwin und den
Holzrückewettbewerb, denn zum "Fahren mit 6 Beinen" fehlen die
Scheuklappen.
Startnummern und Parcourskizzen kommen ein paar Tage vorher mit der
Post. Schnell ein paar Pappschilder beschriftet und los geht es
Richtung Warendorf.
Ziemlich viel los auf den Straßen so zu Sommerferienbeginn am
Freitag Abend. Die Blechlawinen schieben sich im gemächlichen
Tempo über die A1. Am Kamener Kreuz wird es lichter, promt
vergesse ich, daß ich ja auf die A2 hätte abbiegen
müssen, immer dem Stau nach! Egal, fahren wir eben einen Umweg. Um
diesen nicht zu groß werden zu lassen, nehmen wir die Abfahrt
Ascheberg und suchen uns den Weg über die Dörfer, nicht so
schwierig, hier ist alles flach und Warendorf immer ausgeschildert.
Sogar die FN Ausschilderung ist nicht zu übersehen, immerhin
trainiert hier der Kader für Deutsche Meisterschaften und Olympia!
So rollen wir zur Paddockwiese, der Platzanweiser nimmt uns in Empfang,
wir dürfen uns einen schönen Doppelpaddock aussuchen. Die
Maße sind mit rot-weißem Flatterband vorgegeben, die
Nummern mit einem langen Nagel mitten im Pferdepaddock angeschlagen.
Sowas verantwortungloses mitten im Pferdezentrum entfernen wir
natürlich schnell. Mina und Roegwin sind mit dem Platz auch
zufrieden, die grasen bereits, während wir den Zaun um sie herum
errichten. Der Mist wird 3x täglich abgefahren, Sanitärsilos
sind auch ausreichend vorhanden, zu unserer Begeisterung gibt es sogar
heiße Duschen. Pferde versorgt, ab zur Meldestelle in gut 20
Minuten Fußmarsch. Da haben wir dann auch den Abend verbracht,
denn die Besetzung der Meldestelle war eine einzige Katastrophe! Im
Gegenzug dazu war die Vorbesprechung zum Distanzritt sehr nett und
gemütlich, als Startnummern wurden eigens gestellte Leibhemdchen
vergeben.
Mit der Dunkelheit zieht Nebel über die Felder, taucht das
Gelände in eine unheimliche Stille. Uns gegenüber campiert
noch ein Fjordie mit einer Kutsche. Kurz nach Mitternacht suchen wir
die Waschcontainer auf, nur um festzustellen, daß um 24 Uhr das
Wasser abgestellt wird. Naja, so wissen wir für morgen wenigstens
Bescheid.
Gegen Morgen tropft das Kondenswasser von der Hängerdecke, unter
der wir nächtigen. Sechs Uhr, Zeit zum Aufstehen, wenn wir
pünktlich zur Voruntersuchung erscheinen wollen. Die geht
zügig von statten. Minchen hat ein angelaufenes Bein und eine
häßliche Wunde vom Verbandagieren am Röhrbein, aber da
sie absolut nicht lahmt, darf sie starten - mit dem Hinweis, daß
die Wunde in der Pause nur mit Wasser versorgt werden darf und soll.
Klaro. Ulrika kollert mindestens ein Berg Steine vom Herzen, daß
sie nun doch nicht alleine starten muß.
Wir schlüpfen in unsere Leibhemdchen, auf Ulrikas Bauch prangt die 138, Minchen und ich haben die 137 gezogen.
9:15 Startzeit unserer 5-er Gruppe mit 2 Isländern. Die geben sich
zu Anfang recht heiß, wir lassen sie ziehen. Zu Zweit laufen Mina
und Roegwin eh am schönsten. Das Gelände ist eben und flach,
die Wege alle sandig aber nicht tief, perfekt eben, wie sich das
für ein Olympiatrainingsgelände gehört. Selbst die
"bereitbaren Randstreifen" sind gut gepflegte Reitwege ohne
Stolpferdfallen und die Strecke ist gut markiert. Die Sonne strahlt vom
Himmel, es ist nahezu alles perfekt bis auf die vielen vielen Bremsen.
Es sind viele "Anfänger" dabei, Reiter, die ihr
gleichmäßiges Tempo noch nicht gefunden haben und hier ihren
ersten Distanzwettkapf bestreiten. Mina und Roegwin laufen wie die
Uhrwerke, immer den gelben Pfeilen nach. Hin und wieder sehen wir die
Isländer vor uns, doch es reicht nicht, um sie einzuholen. Wollen
wir auch nicht. Wir liegen ausgesprochen gut in der Zeit, mein Ehrgeiz
behält die Uhr scharf im Auge, nur 3 Minuten +/- der geforderten
180 Minuten gelten als fehlerfrei, darüber und darunter gibt es
Strafpunkte. Ulrika merkt sich die Strecke, denn eventuell muß
sie die zweite Runde alleine bestreiten. Plötzlich ein wilder
Galopp von hinten, Roegwin schießt los, Minchen läßt
sich so gerade halten. Den "Handpferdereiter" lassen wir lieber
passieren.
Bald sind wir in der Pause. Mina 60, Roegwin 72. Er findet das wohl
alles ein bischen aufregend. Doch schon nach 3 Minuten hat auch er die
64 Schläge pro Minute - Grenze erreicht und darf in die Pause.
Sehr angenehm organisiert, die Trabstrecke ab vom Trubel, auf der
anderen Seite ausreichend Eimer, Wasser und Schwämme zum
Pferdekühlen. Minchens Bein ist jetzt glasklar, die Kruste ist
abgegangen, darunter ist rosa Haut zu sehen. Sieht fast besser aus als
vorher. Der Trab ist sauber und taktklar, wir dürfen weiter. Aber
natürlich warten wir auf unseren Kumpel Roegwin.
Auf in die Zweite Runde. Minchen mag mal wieder nicht, die Strecke
kennt sie schon. Nach ein wenig Überzeugungsarbeit meinerseits
läuft sie aber wieder munter voran. Vor der Brücke links am
Bach entlang, plötzlich steht Ulrika nur noch mit einem Bein im
Bügel neben ihrem Pferd, als ein Erpel zum Flug durchstartet.
Minchen ignoriert soetwas einfach. Munter trabt sie weiter während
Ulrika nach ihrem Stunt zurück in den Sattel gleitet. Verdammt,
hätte ich mal einen Fliegenwedel mitgenommen, die Bremsen hier
sind wirklich ekelhaft.
Die Strecke wirkt vertraut auf dieser zweiten Runde, hier findet diemal
eine Pulskontrolle statt. 72 naja, wenn man in die Kontrolle trabt!
Aber normalerweise klappt das. Mina und Roegwin brauchen auch nur 2
Minuten um mit dem Puls runter zu kommen. Hier hat uns vorhin der
Handpferdereiter eingeholt, es folgt die schmale Schneise durch den
Wald. Breite Sandwege führen durch sonnige Abschnitte, es wird
ganz schön warm. Heute Abend habe ich bestimmt einen Sonnenbrand.
Minchen wirkt lustlos, immerwieder fällt sie in den Schritt. Auch
ein davontrabender Roegwin kann sie nicht animieren. An der
nächsten Brücke haben wir die Isländer eingeholt. Bei
dem engen Zeitfenster war das nicht zu vermeiden, wenn man ohne
Fehlerpunkte ins Ziel kommen möchte. Die große Gruppe
stachelt Minas Ehrgeiz an, nun läuft sie wieder zügig voran.
3 km vor dem Ziel notieren Helfer die Zeiten, die letzten 3 km sind
genau in Tempo 6 zu reiten, also in 18 Minuten, wir haben aber noch 28
Minuten Zeit.
Grasen möchten sie nicht so richtig, aber in Bewegung sollten sie
bleiben. Ich kurve mit Minchen um die Pferdeanhänger und übe
"Roegwin außer Sicht" - eine gute Übung für Minchen,
die Uhr genau im Blick. 15 Minuten, die Isigruppe macht sich auf den
Weg, 16 Minuten, 17 Minuten nach 12 Uhr, los geht es. Roegwin
läuft präzise T6 wenn er vorne läuft. Wir sind
geringfügig schneller, denn im Ziel zählt auch der Puls. Wir
sind zu schnell, laß uns Schritt reiten, 28 wir sind immernoch zu
schnell, laß uns langsamer Schritt reiten, 30 langsamer, 32 noch
langsamer, 33 gaaanz langsam, 34 Ziel erreicht, wir sind zu früh.
Macht aber nichts, eine Minute sind sie alle zu schnell, ein
Fehlerpunkt für die Zeit und die Pulswerte sind top. Wir waschen
unseren Pferden das Blut von den Bremsen ab, kühlen ihnen Hals und
Beine, Mina, Du solltest etwas trinken bei diesen Temperaturen, ohne
Trinken gibt es kein Gras! Ärgerlich schlabbelt sie durch das
Wasser, trinkt auch ein paar Schlucke, so ist es brav. 9 Minuten im
Ziel, der Puls muß nocheinmal gemessen werden. Minchen hat fast
ihren Ruhepuls von 36, 40 Schläge zählt der PA Helfer.
Superminchen.
Zwei Stunden haben wir Zeit bis zur Nachuntersuchung, die Pferde
dösen auf dem Paddock, aufräumen müssen wir heute nicht,
denn wir bleiben ja noch eine Nacht. Zu gerne würde ich Minchen
Bepanthen auf die offene Schürfwunde schmieren, aber bis zur
Nachuntersuchung ist nur Wasser gestattet.
Ich glaube, ich bekomme einen Sonnenbrand. Es ist doch mächtig
warm geworden, die Sonne brennt unbarmherzig von einem wolkenlosen
Himmel. Die ersten reihen sich in die Schlange ein, wir gesellen uns
dazu. Roegwin trabt topfit vor, während Minchens Puls bestimmt
wird, 56 - ups. Aber auch sie zeigt einen makellosen Trab.
Glücklich wieder beieinander warten wir auf die Siegerehrung. Dazu
treffen wir uns auf der Start/Ziel Wiese, um gemeinsam in die
große Arena einzureiten. Die Zeit läuft ab, während
noch die letzten Pferde auf die Nachuntersuchung warten. Im
großen Ring wird unterdessen das Distanzreiten präsentiert.
Hektisch wird es, doch endlich liegen die vorläufigen Ergebnisse
vor. Wir reiten ein, stellen uns im Halbkreis auf. Es gibt eine
getrennte Wertung von Großpferden und Ponies, die Ponies werden
zuerst aufgerufen.
Gewonnen wurde diese Prüfung von der 137 - wie bitte, ich glaube,
ich habe mich verhört? Teimina - ui, Miiiinchen! geritten von Inke
Feder und auf dem zweiten Platz Roegwin mit Ulrika - dabei haben wir
eigentlich zusammen mit Vollblutaraber Charysta und Haflinger Beppo den
ersten Platz gemacht, da hat sich der Sprecher wohl vertan. Geehrt
werden auch die zehn ersten der Großpferde sowie die erst
7-jährige Johanna mit ihrem Shetty Tessi. Ja und dann sollen wir
einen Ehrenrunde drehen, wie jetzt, im Trab, im Galopp? Minchen
vorneweg, auweia. Doch Minchen trabt brav eine Runde außen herum
unter dem Applaus des Publikums. Unter den vielen Freßbuden
entdecke ich eine Eisdiele, die stürmen wir jetzt erstmal.
Ich konnte es mir nicht verkneifen, Minchen heute auch noch zu einer
GHP anzumelden. Während Roegwin zurück zur Paddockwiese
schreitet, wo später die VDD interne Siegerehrung mit einer
Schleife für jeden angekündigt ist, reite ich mit Minchen
unter wieherndem Protest über die Waldreitwege zur GHP. Dort
warten zwei Pferde, eines ist im Parcour. Schließlich habe ich
mich bis zum Verantwortlichen durchgefragt und darf mich hinten
einreihen. Nur noch schnell absatteln, die Trense lasse ich drauf,
Handschuhe an, Kappe kann auf dem Kopf bleiben, schadet ja nicht. So
stellen wir uns den Richtern vor. Was ich denn an meiner Sicherheit
noch verbessern könnte, werde ich als erstes gefragt. ?
*rätsel. Nochwas? Immerhin, damit handel ich mir den ersten
Punktabzug ein, meine Zügel sind geschlossen - logisch, deswegen
habe ich sie mir ja extra gekauft! Nein, die müssen offen sein.
Aha, auch gut, da wäre ich nicht drauf gekommen. Also das
nächste Mal nehme ich wieder einen Strick oder meine
Westernzügel. Einmal vortraben und wieder anhalten. Minchen ist
alles andere als begeistert von Roegwins Unsichtbarkeit, sie wiehert
und wenn sie schon nicht Ausschau halten darf, möchte sie
wenigstens vom Gras kosten, aber auch das wird ihr verwehrt.
Hoppla, da bewegte sich das Flatterband, Minchen vollführt einen
erschreckten Satz, folgt mir aber sogleich in die Müllgasse.
Stillstehen ist überhaupt nicht drin, Rückwärtsrichten
nur nach Bremse erschlagen - die sind hier wirklich fürchterlich.
Das wars. Wie ich mein Pferd einschätze, fragt mich der Richter.
Dazu verweigere ich die Antwort, Uhu Teimina war absolut handelbar,
kein Scharren, kein Umrennen, kein permanentes um mich kreiseln, kein
mit dem Kopf durch die Wand wollen. Guckig aber führig, ich bin
absolut zufrieden, auch wenn es der Richter nicht ist. Note 4. So, das
wars dann aber auch für den ersten Tag. Schnell sattel ich Mina
wieder, wobei sie brav still steht, dann geht es im flotten Trab
zurück durch den Wald - weit und breit kein Fußgänger
in Sicht, da kann ich mir das erlauben. Kaum erreichen wir den ersten
Zuschauer, parieren wir in den Schritt durch, Mina hat es eilig,
fügt sich aber willig. Am Zaun stehen einige Reiter, Zuschauer und
Pferde und schauen den Voltigierern zu, es ist ein riesiges Volksfest,
die Stimmung ist sonnig, das Wetter auch. Das Gelände ist einfach
toll und die Atmosphäre phantastisch. 1100 gemeldete Pferde
verstreut über das weitläufige Gelände in 45
Prüfungen. Mina und Roegwin werden auf das Paddock entlassen,
während Ulrika und ich sich auf die kümmerlichen Reste der
Freßbuden stürzen.
Da fällt mir ein, ich muß ja noch mein neues Geschirr
für den Holzrückewettbewerb am nächten Tag anpassen.
Etwas groß, aber mit ein paar Löchern läßt es
sich leicht passend machen. Nur jetzt noch eine Runde vom Boden fahren,
weg von Roegwin, das sieht Minchen überhaupt nicht ein. Sie klebt
und dreht sich einfach um. Verdammt Mina, wir bleiben doch in
Sichtweite! Nagut, wir einigen uns auf ein paar kleine Volten, na, das
kann ja heiter werden morgen, ich glaube, den Wettbewerb kann ich
abhaken. Doch zuerst kommt mal das Handpferdereiten, da ist Roegwin
dabei, dicht neben ihr warten wir auf unseren Start, während
Roegwin die Bremsen davonwedelt.
Start frei, die Richerin erklärt noch einmal die wichtigsten
Regeln, Mina folgt brav meinen Anweisungen, Roegwin hält sich am
lockeren Zügel an ihrer Seite. Eine sehr harmonische Vorstellung,
wie uns die Richter später bescheinigen. Die Kehrtwende klappt
prima ohne Zicken. Da stehen wir vor noch einem Hindernis, das nicht im
Parcoursplan eingezeichnet war, was hat es damit auf sich? Das steht
hier bestimmt immer, wie so viele andere Baumstämme auch, also
reite ich einfach daran vorbei. Das wars. Im Richterbericht finde ich
dann, daß wir ein Hindernis ausgelassen haben, aber was wir damit
machen sollten, ist mir ein Rätsel, wir mußten nämlich
gleich zum nächsten Wettbewerb, dem Tempofeeling, wo wir noch
überhaupt keine Ahnung hatten, wo und was dort stattfinden sollte.
Immerhin, wir unsere Vermutung, daß sie Ovalbahn eine Rolle
spielen würde, wurde bestätigt.
Ulrika läßt sich mit den Pferden im Schatten der
großen Bäume nieder, ich schlendere durch die glühende
Sonne, um mir die anderen Prüfungen anzusehen. Ups, da bildet sich
eine Traube, hat das was mit dem Tempofeeling zu tun?
Tatsächlich, eine Helferin erklärt den Ablauf. Hier ist die
Startlinie, fliegender Start im Trab - Arbeitstrab. Ab dem Schild in
der Kurve soll angaloppiert werden, ruhiges Tempo, im Galopp um einen
Baum herum und zurück im flotten Galopp, in der Kurve
durchparieren und im flotten Trab zurück über die Zielgerade.
Stopuhren, um die einzelnen Teilabschnitte zu messen sind nicht
vorhanden, es wird nur die Gesamtzeit gestoppt. Eine Minute und
fünfzehn Sekunden beträgt die Idealzeit, 75 Sekunden. Das ist
doch ganz einfach, man muß ja nur mitzählen, meint Bille,
denn eine Uhr mitnehmen ist nicht erlaubt. Eine gute Idee.
Wir reiten einmal an der Bahn entlang, um Ulrika, die etwas kurzsichtig
ist, den Baum zu zeigen. Direkt neben uns das bunte Treiben der
Kostümreiter. Wir dösen im Schatten einer Baracke bei Eis und
kalten Getränken, die Sonne brennt unbarmherzig, kein
Wölkchen ist am Himmel zu sehen. 55 Sekunden, 60 Sekunden, die
ersten Reiter sind viel zu schnell. 1,12, fast ein Treffer, schon nahe
daran. Schließlich sind wir an der Reihe. Hey, Minchen aufwachen!
75, sie sperrt sich, möchte nicht vom Roegwin weg, ich treibe sie
kräftig an, sie fällt widerwillig in einen Zockeltrab, 76,
77, verdammt, ich habe mich verzählt, 78, 79, 80, sicher auf meine
Hilfe gallopiert sie in der Kurve an. Schnell überschlage ich,
daß ich nun bis 150 durchzählen muß. 150, 152, 153 -
schon wieder verhaspelt, die Schleife um den Baum fällt sie ganz
kurz aus, die Kurve ist aber auch eng... zurück im gestreckten
Galopp, 160, 161, 162, wo bin ich jetzt eigentlich? in der Kurve
läßt sie sich artig zum Stechtrab durchparieren, Roegwin ich
komme! 163, 164, 165, 166, 167, 168, 169, 170 im Ziel. Eine Minute und
17 Sekunden hat unser Ritt gedauert, das war doch nicht schlecht.
Nun ist Roegwin an der Reihe, Mina schaut ihm sehnsüchtig
hinterher, auch er macht seine Sache gut, ist aber ein wenig
länger unterwegs, eine Minute 20 Sekunden.
Warten auf die Siegerehrung oder umzäumen zum
Holzrückewettbewerb? Nach einigem Hin- und Her entscheide ich
mich, daß ich es doch versuchen möchte, aber Roegwin
muß mit.
Schnell ist Minchen abgesattelt und aufgeschirrt. Hm, was die Richter
wohl zu meiner Ausrüstung sagen werden, Scheuklappen habe ich
keine - wie alle Holzrückepferde, Peitsche auch nicht - wie bei
allen Zugleistungsprüfungen, meine Zügel sind eine
umfunktionierte Longe mit zwei Karabinerhaken, meine Zugstränge
kräftige Gurtbänder. Immerhin, meine Wanderreittrense hat
fahrzaumgerecht am Nasenriemen fixierte Backenstücke. Etwas
nervös Reihe ich mich in die Warteschlagen unter den Bäumen
ein. Hier geht es nach Startnummernreihenfolge, die Teilnehmer werden
einzeln aufgerufen. Klein Shetty ist auch wieder dabei und schleift den
riesigen aber leichten Baumstamm hinter sich her, es ist ein recht
ausgetrockneter Kiefernstamm, der auch bei der
Holzrückevorführung mit den massigen Kaltblütern benutzt
wurde. Minchen döst.
Ein blütiges Pferd ist an der Reihe, scheut und verhedert sich in
den Zugketten, unter wildem Geschrei der Beteiligten wird es schell
befreit. 165, schreck, plötzlich sind wir dran. Ich trete mit
Minchen vor, niemand sagt was, Helfer machen sich daran, den Baum
anzuhängen, da dreht Mina sich zu Roegwin um. Nein, das muß
ich nicht haben, wenn sie zwischen den Zugsträngen steht, ihr Bein
fängt gerade an zu heilen. Noch einmal dreht Minchen ihren
Körper Richtung Kumpel, da lassen wir es besser sein. Sicher ist
sicher.
Mina und Roegwin werden in den wohlverdienten Feierabend geschickt,
Ulrika und ich sehen uns noch auf dem Gelände um. Bei einer
Barockpferdekür bleiben wir hängen, picknicken gemütlich
im Schatten der Eichen während sich auf der Rennbahn die meisten
anderen Teilnehmer zur großen Abschlußparade formieren. Das
ersparen wir unseren beiden tapferen Ponies.
Die meisten Paddockplätze liegen verlassen, die Zelte sind
abgebaut, die Campingstühle verstaut. Pferde werden verladen. Zug
um Zug verläßt das Gelände. Ein grandioses Pferdefest
ist zu Ende.
Toll war es, aber die Meldestelle war eine Katastrophe. Ein paar
Freßbuden oder Frühstück an der Paddockwiese wäre
noch eine sinnvolle Verbesserung gewesen. Schade schade, daß es
bei diesem einmaligen Event bleiben soll.
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