Wendung im Schneesturm

Und ich sach noch...
Es war mal wieder die Zeit zwischen den Jahren, mein Reiterlein total gammelig kommt erst spät zum Stall und will dann auch noch im Hellen reiten, wo ich mich schon auf mein warmes Masch freue... Nun war heute ein zwar frostig kalter, doch klarer und sonniger Wintertag. Ich ließ mir die Sonne auf den Pelz brennen und steckte meine Nase genüßlich ins Heu.
Pünktlich mit den letzten Sonnenstrahlen holte mein Reiterlein mich vom Paddock. Natürlich putze sie mich nur flüchtig, eigentlich kann man das schon garnicht mehr als Putzen bezeichen, eher als "den wirklich allergröbsten Schmutz aus der Sattellage fegen". Immerhin, die Hufe schaute sie nach, gehört sich ja auch so. Da stoben schon die ersten Schneeflocken durch die Luft. Das gibt bestimmt einen Schneesturm, denke ich mir und strebe unwillig zur Boxentür. Nix da, sagt die Chefin, die paar Flocken schrecken einen Norweger ja wohl nicht ab. Pah, hat die eine Ahnung. Immerhin, den heiligen Sattel ließ sie in der trockenen Sattelkammer, holte nur meine alte Trense und die Leuchtgamaschen. Auf dem Weg zur Straße versuche ich noch einmal abzuzweigen, aber es hilft nichts, die Chefin hat sich einen Ausritt in den Kopf gesetzt. Als ob wir Ponies das nicht spüren, wenn da was in der Luft ist. Da können die Zweibeinder noch viel von uns lernen.
Nun ja, es schneite zwar sachte, ein Gemisch aus Schnee und Regen, wie das hier am Niederhein meistens der Fall ist, aber es war wirklich nicht heftig und so ließ ich mich überreden, aber nicht überzeugen. Glatt war es nicht und so schritt ich munter mit wippenden Ohren aus. Wind wehte von rechts über das freie Feld, mich hielt mein Pelz mollig warm und wenn sie es unbedingt so haben muß, bitte. Dann bogen wir nach rechts in einen Wiesenweg ein, in der Hoffnung, dort vielleicht auch ein bißchen beschleunigen zu können. Der Wind braute sich zu einer ordentlichen Boe zusammen, der Schneeregen wurde zunehmend dichter und kam genau von vorn. Nun wurde es auch meinem Reiterlein endlich zu bunt und sie gab meinem heftigen Drängen nach, dem Sturm nicht die Stirn sondern den Hintern zu bieten. Ich nutze die Gelegenheit natürlich gleich aus und maschierte ebenso zügig wie wir gekommen waren Richtung Heimat.
Zurück an der Straße wurd es wirklich ekelig zugig und jetzt kam die ganze ungemütliche Ladung von Links. Ich wußte kaum, wie ich die Augen offen halten sollte um nicht den Weg zu verfehlen und schüttelte unwillig den Kopf. Also ob ich es nicht vorrausgeahnt hatte...
Und das Wunder geschah, mein Reiterlein hatte ein Einsehen und stieg ab, um sich, den Schnee abschirmend, vor mein Gesicht zu stellen. So traten wir den Heimweg an, meine Nase direkt an der Tasche mit den Leckerlies, so laß ich mir den Schneesturm gefallen.
Als wir das schützende Dach erreichten, war der Zauber natürlich längst vorbei, aber mein Reiterlein war naß und kalt und so bekam ich endlich meine warme Mahlzeit. Und beim nächsten Mal hört sie vielleicht besser auf mich.
 
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